Willemieke war eine starke Persönlichkeit. Sie fiel Melanie von der Wilden Hilde damals auf der Weide sofort wegen ihres schiefen Gesichtes auf. Willemieke hatte viele Kälber geboren und ihr letztgeborener Sohn war bereits geschlachtet. Da sie nicht mehr tragend wurde, drohte ihr das gleiche Schicksal. Doch dank der schnellen Zusage ihrer Patin Karin und dem Landwirt, der sie statt dem Metzger lieber Melanie und Nicole von der Wilden Hilde gab, konnte Willemieke vor der Tötung gerettet werden.

So kam diese eigenwillige, besondere Kuh auf den Lebenshof. Doch sie sollte noch eine Überraschung für Nicole und Melanie haben. 9 Monate nach Willemiekes Rettung war eines Morgens beim Rinderzählen auf einmal ein Rind zu viel. Auch nach mehrmaligem Zählen kamen sie immer wieder auf ein Rind mehr. Zu guter Letzt stellte sich heraus, dass Willemieke doch noch ein erfolgreiches Techtelmechtel mit dem Deckbullen bei ihrem Bauern gehabt haben muss, denn sie hatte auf einmal ein kleines Kälbchen an ihrer Seite, ihre Tochter Isalie.

Willemieke war noch nie sehr überzeugt von menschlicher Nähe, doch jetzt mit ihrem kleinen Kalb war sie noch weniger davon überzeugt. So führte sie, sobald die Weide von einem Menschen betreten wurde, ihr Kalb in den sicheren Wald. Monatelang kam keiner wirklich an das Kalb heran, erst nachdem sie 100 Prozent sicher war, dass niemand ihr dieses Kalb wegnehmen würde, versteckte sie es nicht mehr.

Im Winter 2018 verunglückte Miekie, wie sie liebevoll genannt wurde, beim Rindern. Sie verletzte sich am Becken und fing zwar nach einer Schonzeit wieder an zu laufen, aber sie lahmte. Da sie so nicht mehr herdentauglich war, zog sie in die Seniorengruppe. Denn wenn ein Rind chronisch krank ist, braucht es besondere Zuwendung.

Unter der Vorstellung von Marieke vor zwei Monaten habe ich einen Kommentar von einem Kuhbauer bekommen. Er ist der Meinung, dass Lebenshöfe eher kontraproduktiv sind. Denn in der Natur gibt es keinen „natürlichen“ Tod. Und das Leid der Tiere (Altersschwäche, keine Zähne, entzündete Gliedmaßen etc.) wird hier angeblich in Kauf genommen, um Spendengelder zu erbetteln. Hierzu möchte ich schreiben, dass ich nicht dieser Meinung bin. Denn wenn man sich mit den Lebenshöfen und ihren Betreiberinnen auseinandersetzt, sieht man, wie viel Fürsorge, Liebe und Zuwendung diese Tiere erhalten und die Verantwortlichen wissen genau, wann es nicht mehr geht.

Die Menschen leben tagein und tagaus mit ihren Tieren, kein Tier wird hier lange oder unnötig am Leben gelassen. Ganz im Gegenteil, ist es an der Zeit, dass das Tier nicht mehr kann und gehen möchte, wird ihm dieser letzte Weg in Liebe, Ruhe und Zuneigung ermöglicht. Sie müssen kein Blut oder den Schweiß ihrer Artgenossen riechen und die Todesangst spüren bevor sie getötet werden.

Bei den Lebenshöfen, welche ich mit it’s cowtime unterstütze, wird kein Tier künstlich am Leben erhalten um Spenden zu erbetteln. Generell werden hier keine Spenden erbettelt. Es wird aufgezeigt, welche Folgen und Schäden die Tiere durch die menschliche Ausnutzung erleiden und wie katastrophal ihre Zustände oft sind. Ebenso ist eine Kuh mit 12 Jahren noch nicht wirklich alt, die natürliche Lebenserwartung eines Rindes liegt bei rund 20 Jahren.

Ein Rind in der Wildnis hat eine saisonale Brunstzeit, die Kühe heutzutage werden alle 3 Wochen brünstig. Jede Brunst bringt die Gefahr mit, dass die Kühe sich dabei verletzen, was ja auch oft genug geschieht. Hinzu kommt, dass sie durch das enorme Gewicht des unnatürlich großen Euters und der extremen Zucht auf möglichst viel Leistung bereits einen vorgeschädigten Körper haben. Am Ende ändert es aber nichts, daran, dass diese Tiere leben wollen.

Bauern stehen heute viel in der Kritik, dabei sollte das System in der Kritik stehen. Das System, welches Mensch und Tier ausbeutet. Kleinbauern haben hier keine Chance, es geht nur mit Wachstum. Und wer nicht mitwächst, bleibt zurück. Einige Landwirte treibt dieses System sogar in den Suizid. Das ist unglaublich ungerecht und erschreckend. Ich habe keine Illusion, dass wir in der Zukunft in einer veganen Welt leben werden, jedoch lohnt es sich, dafür aufzustehen und aufzuzeigen, welche Schäden für Mensch und Tier unser Fleisch- und Milchkonsum mit sich bringt. Jedes Rind, welches ich hier vorstelle, ist ein Opfer dieses ausbeuterischen Systems. Doch jedes hatte das Glück, zumindest eine Zeit lang einfach nur leben zu dürfen und können. Fern jeglicher Ausnutzung sich mit Sonne auf der Haut und Gras unter den Hufen frei bewegen können.

Willemieke zeigte deutlich, dass ihr ihre Privatsphäre wichtig war und bestand energisch auf angemessenen Abstand. Wurde dieser nicht eingehalten, verteidigte sie ihn auch mal mit Tritten und Kopfnüssen. Das hat es Melanie und Nicole doch etwas schwer gemacht und sie bekamen den einen oder anderen blauen Fleck oder eine Prellung. Willemieke war immer für eine Überraschung gut, denn sie änderte auch gerne mal die Spielregeln, selbst wenn man den Abstand einhielt und gar nichts von ihr wollte, konnte es doch auch passieren, dass frau quer durch den Stall, über die Weide oder den Hof flog.

Dies war ihre Seite gegenüber Menschen, wer könnte es ihr verübeln? Melanie und Nicole jedenfalls nicht, denn Miekie hatte noch eine andere wundervolle Seite. Sie war unglaublich sanft und liebevoll zu anderen Rindern, jedes Rind war gleich ihr Kumpel und sie umsorgte und putzte sie. Wenn es nötig war, nahm sie sofort die Mutterrolle an. Auch als es ihr immer schwerer fiel, sich auf ihrem kaputten Becken zu halten, hielt sie die Herde zusammen und umsorgte und betüddelte jeden.

Monatelang musste ihr Zustand täglich neu eingeschätzt werden. Durch die Fehlbelastung kamen immer neue Baustellen dazu. Bis zuletzt lief sie mit ihrer kleinen Herde umher, am Ende lag sie nur noch auf ihrem Lieblingsplatz in der Sonne. Sie konnte zwar schnell aufstehen, jedoch nicht mehr wirklich, d.h. sehr schlecht laufen. Deswegen konnten Melanie und Nicole dieser stolzen Kuhdame nur noch den letzten Dienst erweisen und sie ohne Schmerzen gehen lassen.

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